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Gibt es eine gute Körperhaltung?

Haltung ist keine starre Position des Körpers, sondern ein dynamisches Muster auf Basis reflexiver Mechanismen, Verhalten und adaptierte Reaktion auf Einflüsse, die von außen auf den Körper einwirken. Zu diesen Einflüssen gehören u.a. die Erdanziehung, Einflüsse durch bestimme Körperpositionen, die wir im Alltag einnehmen und sportspezifische Bewegungsmuster, bzw. sportliche Herausforderungen.

Haltung ist mehr als die Summe seiner Teile. Es ist eher ein interaktives Konstrukt, bestehend aus vielen willkürlichen und reaktiven Elementen, die zusammen ununterbrochen mit der Umwelt interagieren und somit für unseren Körper immer wieder eine neue Herausforderung darstellen. Dabei strahlt unsere Haltung auch einen emotionalen Zustand wieder, was aufzeigt, dass Haltung von psychosozialen Faktoren abhängig ist und zudem einen starken Einfluss auf unser Hormonsystem besitzt. Haltung spiegelt daher interne Prozesse wieder, die sich im Laufe von Jahren etabliert haben und über das muskuloskeletale System hinaus gehen.

Dennoch liegt der Fokus meistens genau auf diesem System: den Muskeln und ihren Bezug zu unserer Haltung. Dabei fallen häufig Begriffe wie „Verspannungen“ oder „Muskelverkürzungen“, was unter dem Begriff der Dysbalance zusammengetragen werden kann. Dennoch gibt es keine echte wissenschaftliche Grundlage, was eine muskuläre Dysbalance ist. Die gefühlte Verspannung oder aber auch der objektiv messbare Muskeltonus haben selten etwas mit Kraft oder Leistung zu tun. Es ist nicht die muskuläre Dysbalance, die zu Problemen wie Schmerzen oder Bewegungsdysfunktionen führen kann, sondern das Problem des Gehirns, welches sich in Form der möglichen #Dysfunktion zeigt. Es lässt sich schlussfolgern, dass die mögliche Verspannung oder muskuläre Dysfunktion eine Verhaltensreaktion des Gehirns ist. Das Gehirn reagiert somit auf Einflüsse, die vom inneren (#Interozeption) und vom äußeren kommen (#Exterozeption). Darüber hinaus wirkt natürlich auch die Wahrnehmung unserer Position im Raum ebenfalls auf das Gehirn (#Propriozeption). Daher ist der Zustand des Muskels meistens ein Effekt des ZNS - spezifische Erkrankungen des muskulären Systems außer Acht gelassen.

Was ist eine schlechte Haltung?

Eine schlechte #Haltung liegt dann vor, wenn eine spezifische Position (akut oder chronisch) zu physischen Stress führt. Eine schlechte Haltungskompetenz liegt vor, wenn eine Haltungsanpassung an Umweltbedingungen zu Stress führt. Dabei ist der physische Stress häufig begleitet von endokrinen und psychischen Veränderungen (psychischer Stress, erhöhter Adrenalin oder Cortisolausstoß). Der Mangel einer Haltungskompetenz führt langfristig zu einer Haltungseinschränkung, was bedeutet, dass wir zunehmend die Fähigkeit der Anpassung verlieren. Einseitige Bewegungsmuster können unser Haltungssystem dahin gehend stören, dass wir die Fähigkeit der Anpassung verlieren und neue Bewegungen als eine Bedrohung wahrgenommen werden können. Haltungskompetenz lässt sich am besten durch regelmäßig neuartige und herausfordernde Bewegungen kreieren. Vor allem neue Bewegungsmuster, die ein Erlernen erfordern, schaffen Vielfalt und Bewegungskompetenz. Einfache Bewegungsmuster bewirken kaum eine Anpassung, da sie die aktuelle Bewegungskompetenz widerspiegeln und weniger die Herausforderung einer neuen Bewegung. Daher gilt das „Bewegungslernen“ als wichtiger Faktor im Rahmen unserer Bewegungskompetenz. Eine gute Haltung zeichnet sich also dadurch aus neue Bewegungsabläufe erlernen und umsetzen zu können.

Unser Haltung ist in ihrem aktuellen Zustand nicht nur ein Spiegel der Bewegungskompetenz, sondern auch ein Spiegel des Effizienzgedanken unseres Gehirns. Unser Gehirn bemüht sich um maximale Effizienz, zu dem auch Kompensationsmechanismen gehören, wenn bestimmte Bewegungsabläufe nicht so ausgeführt werden, wie wir sie uns vorstellen. Dabei haben Kompensationsmuster immer die Aufgabe eine gezielte Bewegung ausführen zu können. Das Gehirn schafft Bewegungsmuster, um das jeweilige Bewegungsziel erreichen zu können. Dabei ist die Effizienz immer abhängig von dem jeweiligen Vermögen der Person. Effizienz ist niemals absolut, sondern immer relativ zu den Fähigkeiten (Bewegung und Haltungskontrolle) der jeweiligen Person.

Dabei bestimmt der Symmetriegedanke unsere Haltung. Doch ist der Körper selten symmetrisch, in der Tat ist eine Symmetrie im menschlichen Körper eine Ausnahme, nicht die Regel. Auf Grund unserer Kompensationsfähigkeit ist der Körper dazu in der Lage Asymmetrien auszugleichen. Untersuchungen zeigen auf, dass eine Beinlängendifferenz nicht zwingend zu Schmerzen führen muss (1). Es gibt keine eindeutige Verbindung zwischen der Haltung und Schmerz (2). Eine schlechte #Haltung muss nicht zwingend zu Schmerzen führen und eine gute Haltung nicht zwingend zu Schmerzfreiheit. Haltung und Schmerz ist komplex, und nicht immer ist der Versuch eine Haltungskorrektur zur Schmerzreduktion zielführend. Dies bedeutet nicht, dass eine schlechte Haltung nicht einen Schmerz verursachen kann. Dies bedeutet nur, dass eine schlechte Haltung nicht automatisch mit Schmerzen korreliert.

Posturaler Stress

Bestimmte Position können im Laufe der Zeit zu einem physischen Stress und somit zu Schmerzen führen. Das Einnehmen einer unerfreulichen Haltung (langes Sitzen) kann zu einem Gefühl der Verspannung, zu Krämpfen oder zu Schmerzen führen. Meistens erfolgen diese Situationen in einer ungewollten Position, wie z.B. die Kopfposition beim Versuch im Flugzeug zu schlafen oder das ständige Treten des Gaspedals während einer langen Autofahrt. Dazu gehören auch visuelle Probleme, die den Kopf in eine bestimmte Position zwingen, was zu einer einseitigen Überlastung führt, was in Schmerzen und Unwohlsein resultieren kann. Das ständige Heben auf dem Bau in teilweise nicht-ergonomischen Positionen auf Grund der situativen Anforderung. Adaptiert sich die Haltung auf Grund der Umgebung oder auf Grund von Kompensationsmechanismen ist nicht mehr die Umgebung Ursache für die schlechte Haltung, sondern der Körper an sich. In diesem Fall spielt die Umgebung keine Rolle mehr, da der Körper sich quasi den Stress selber auferlegt hat.

Im nächsten Teil zum Thema Haltung widme ich mich der „Haltungsmotorik“ und wie diese trainierbar ist.

Quellen:

(1)

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6146810

(2)

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3356261/

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